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Über den Irrtum der kostengünstigen Praxisführung zu Hause

2017 01 Irrtum1

In letzter Zeit ist es sehr auffällig, dass viele Kollegen (immer m/w) in der Gründungsphase mit der Frage an uns herantreten, was sie bei der Praxisgründung in den eigenen vier Wänden alles beachten müssen. Gibt es ein kollektives Bewusstsein? Sicherlich! Gibt es kollektive Irrtümer? Ganz außer Zweifel! Und die Beharrlichkeit, mit welcher diese Irrtümer gerade in Hinsicht auf die Praxisgründung zu Hause immer wieder an den VFP herangetragen werden, hat uns veranlasst, einmal dezidiert auf die Fährnisse und zum Teil auch Unwägbarkeiten einer häuslichen Beratungsoder psycho-therapeutischen Praxis einzugehen.

fotolia©vschlichtingDa steht nun also jemand in den Startlöchern, hat seinen Psychologischen Berater oder Heilpraktiker für Psychotherapie in der Tasche und möchte sich mit einer eigenen psychotherapeutischen bzw. Beratungspraxis selbstständig machen. Das ist ohne Weiteres inzwischen schon lange auch nebenberuflich möglich. Eine entsprechende anderslautende Richtlinie in der DVO des HeilprG wurde schon vor langer Zeit für nicht mehr zeitgemäß befunden und demzufolge gestrichen.

Aber wo bekommt man einen Praxisraum her, der bezahlbar ist und unseren Anforderungen entspricht? Häufig ist es so, dass Berater und Heilpraktiker für Psychotherapie ja keine ganz jungen Menschen mehr sind, die Familienplanungs- und Gründungsphase ist längst Geschichte und häufig sind die Kinder ausgeflogen. Im Haus, in der Wohnung ist jetzt sehr viel Platz, Platz, der doch geradezu ideal wäre, um dort einen Praxisraum einzurichten.

Hier aber fängt der Slalom der Erlaubniseinholung an, der Papierkram, die Behördengänge – oftmals mit einem unerwünschten, weil hochgradig kostenintensiven Ergebnis. Und dieser Slalom ist mitunter durch sehr viele Schikanen und Buckelpisten eine reichlich heikle Angelegenheit.

Da es keine bundeseinheitlichen Regelungen gibt, können die Ermessensspielräume und Vorschriften der einzelnen Behörden in den verschiedenen Regierungsbezirken sehr stark variieren. Deshalb macht es Sinn, sich mit jeder Frage direkt an die zuständigen Stellen zu wenden. Der VFP kann hierbei nicht beratend tätig werden, weil es unzählige Regierungsbezirke selbst in den einzelnen Bundesländern gibt, die alle ihre eigenen Vorstellungen haben und durchgesetzt wissen wollen.

Für Mieter gilt, dass erst einmal überhaupt die Erlaubnis des Vermieters vorliegen muss, damit in seiner Wohnung, in seinem Haus eine Praxis eingerichtet werden darf. Vielleicht hat er ja etwas dagegen. Für Wohnungseigentümer gilt, dass das Einverständnis der Eigentümergemeinschaft vorliegen muss. Das hat etwas mit dem Nutzungsrecht (Wertstellung und Quartierbeschreibung) der betreffenden Immobilie zu tun.

Und das beschert den ersten Behördengang: Bei vorliegendem Einverständnis des Vermieters und/oder der Eigentümergemeinschaft muss ein Nutzungsänderungsantrag bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde eingereicht werden. Die Nutzungsänderung von Wohn- in Praxis- bzw. Gewerberaum muss angemeldet und genehmigt werden. Wenn eine solche Nutzungsänderung nicht vorliegt und man betreibt eine Praxis, so geschieht das quasi „schwarz“. Bei einer möglichen Aufdeckung durch unfreundliche Nachbarn oder enttäuschte Klienten/Patienten könnte das unangenehme Konsequenzen in Form von Bußgeldern und/oder gar einer Praxisschließung nach sich ziehen.

Sollte diese Nutzungsänderung genehmigt werden, kann das bereits die ersten erheblichen Kosten zur Folge haben, da einem möglicherweise gleich verpflichtend die Einrichtung von ein bis zwei Pkw-Stellplätzen vorgeschrieben wird. In Ballungsgebieten ist das eine nahezu unerschwingliche Angelegenheit. Manche Behörden lassen sich auf den Hinweis auf eine nahe gelegene öffentliche Parkgarage ein, andere wiederum nicht.

Wenn der Nutzungsänderung stattgegeben worden ist, führt der nächste Gang zum Gesundheitsamt, bei dem die Heilpraxis schließlich angemeldet werden muss. Da es sich bislang ja um Wohnraum gehandelt hat, muss man dort die Auflagen für den Standard einer psychotherapeutischen Praxis einholen. Das betrifft jedoch nicht die psychologische Beratungspraxis. Psychologische Berater können ab diesem Augenblick ihre Praxis einrichten und mit der Arbeit beginnen.

Was also kann das Gesundheitsamt für Auflagen haben, damit eine anstandslose Praxis für Psychotherapie eingerichtet und eröffnet werden kann? Auch hier können sich die Anforderungen von Regierungsbezirk zu Regierungsbezirk stark unterscheiden! Wir wissen von wenigstens einem Regierungsbezirk, in dem ein fester Praxissitz nicht verpflichtend ist und somit § 3 des HeilprG quasi ausgehebelt wird und reine Hausbesuchspraxen geduldet werden. Das ist allerdings die absolute Ausnahme, für gewöhnlich ist ein fester Praxissitz verpflichtend.

Folgendes jedoch trifft nahezu bundeseinheitlich als Mindeststandard für die Gründung einer psychotherapeutischen Praxis in der eigenen Wohnung/im eigenen Wohnhaus zu: Es muss einen separaten Eingang zur Praxis geben, denn wer auch immer da kommt und geht, sollte dieses unerkannt tun können. Barrierefreiheit muss gegeben sein. Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator müssen schließlich auch die Möglichkeit haben, in unsere Praxis zu gelangen und sich dort frei bewegen zu können. Es muss ein zweites WC vorhanden sein und in der Regel wird eine Mindestdeckenhöhe von 2,30 Metern erwartet.

Das Vorhandensein einer Erste-Hilfe-Ausstattung und eines Feuerlöschers sind ohnehin Pflicht. Und es ist sehr gut möglich, dass das Gesundheitsamt noch ganz andere mehr oder weniger kostenintensive Auflagen hat, die erfüllt werden müssen.

In der Regel wird schriftlich abgefragt, ob die Auflagen erfüllt wurden bzw. der Mindeststandard erbracht ist. Natürlich kann man sagen, Papier sei geduldig, wenn es jedoch dem Gesundheitsamt einfällt, die schöne neue Praxis einmal zu besichtigen, wozu die Behörde das Recht hat, sollte selbstverständlich alles so eingerichtet sein wie zuvor bestätigt.

Das Gesundheitsamt möchte zudem, dass öffentlich angezeigt wird, an welchen Orten im Quartier die Heilkunde ausgeübt wird, konkret: Es muss ein Praxisschild an der Hauswand, am Gartenzaun, am Torpfeiler oder dergleichen angebracht werden. Darauf vermerkt sein muss unser Name, was wir machen (Psychotherapie) und die Rechtsgrundlage, auf der wir unsere Praxistätigkeit begründen.

An dieser Stelle sei auch noch einmal ausdrücklich vor dem Kürzel HPG gewarnt. Es anzuwenden wurde bereits vor vielen Jahren als Irreführung untersagt. Ferner ist die Verwendung dieses Kürzels seit August 2015 ohnehin obsolet, da mit der Einführung des Hospiz- und Palliativgesetzes diese Abkürzung nun offiziell für dieses Gesetz beansprucht wird. Heilpraktiker für Psychotherapie präsentieren sich im öffentlichen Auftritt niemals mit Abkürzungen, da das empfindliche Abmahnungen zur Folge haben kann. Also entweder schreiben wir „… nach dem Heilpraktikergesetz“ und/oder setzen unsere Berufsbezeichnung „Heilpraktiker für Psychotherapie“ unter unseren Namen, damit eine Verwechslung mit einem psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten vollkommen ausgeschlossen werden kann.

Ferner gehören auf das Praxisschild die Modalitäten zur Terminabsprache und die Telefonnummer, optional kann noch die E-Mail-Adresse bzw. ein etwaiger Domainname mit aufgeführt werden.

Wenn schlussendlich also alles seine Ordnung hat, gibt man eine Niederlassungsanzeige beim zuständigen Gesundheitsamt auf, in welcher formlos mitgeteilt wird, dass ab einem bestimmten von uns festgesetzten Datum unter der angegebenen Adresse die Aufnahme der Tätigkeit in der psychotherapeutischen Praxis nach dem Heilpraktikergesetz zur Kenntnis gegeben wird. In der Regel fordert die Behörde noch eine Kopie der Heilerlaubnis ein und dann können wir beginnen, zu arbeiten.

Wichtig ist auch noch, dass aus Gründen des professionellen Settings und aus Datenschutzgründen der umgewandelte Privatraum ausschließlich der Praxistätigkeit zur Verfügung zu stehen hat.

Es geht also nicht, dass z. B. bei einer großen Familienfeier die Liege im Praxisraum als Gästebett zur Verfügung gestellt wird. (Und womöglich noch gleichzeitig die Patientenakten als Gute-Nacht-Lektüre …)

Heidi KolboskeHeidi Kolboske
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Assistentin, Supervisorin im VFP

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