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Interdisziplinäre Arbeiten belegen die Bedeutung prä- und postnataler Psychologie

215531920 Ftus BauchPrä- und postnatale Psychologie und Medizin bilden die Schnittstellen psychologischer und medizinischer Diagnostik und Intervention von der Pränatalzeit bis in die frühe Kindheit. Damit umfassen diese Disziplinen das Ungeborene und den Säugling sowie auch werdende Mütter und Väter in ihrer soziokulturellen Umgebung. Die großen Verbesserungen der letzten Jahrzehnte in Neonatologie und Sozialpädiatrie fußen auch auf den Ergebnissen aus Psychoanalyse und Säuglingsforschung.

In einigen Bereichen zeigt sich aber erhebliches Potenzial zur interdisziplinären Zusammenarbeit. Auch wurde (und wird) der Einfluss vorsprachlicher Erfahrung auf Entwicklung und Psyche unterschätzt: Fehlende (verbalisierbare) Erinnerungen an die früheste Kindheit bedeuten nicht, dass diese Phase bedeutungslos ist. Schon das Körpergedächtnis spricht Bände über die frühesten Prägungen, die Erleben, Wahrnehmung und damit auch die psychosomatische Verfasstheit beeinflussen.

Sexualität und Erotik haben ihren Ursprung in einer Art „Überschuss“ von Paarungsenergie, die – abweichend vom reinen Fortpflanzungsziel – zu Intimität führt. Das animalische Erbe im Menschen wirkt als Antrieb für sowohl erotische Exploration als auch emotionale Intelligenz. Die daraus entstehenden Spannungen zeigen den engen Zusammenhang von körperlicher Sinnlichkeit und psychischem Befinden. Damit bilden sie eine Grundlage für die Psychosomatik, die sich (auch) auf die Fruchtbarkeit auswirkt.

Bei Empfängnisproblematiken werden in erster Linie Lebensstilveränderungen oder ovarielle Stimulation und Akupunktur genutzt, um zu helfen. Zwar sind nichtpharmakologische Ansätze sinnvoll, doch zeigt sich immer wieder, dass sie zu kurz greifen und in einen psychosomatischen Ansatz integriert werden sollten, der psychische, aber auch übergeordnete Faktoren berücksichtigt, die als sozial-gesellschaftlich, kulturell und psychisch begründete Einflüsse bezeichnet werden können.

Werden psychotherapeutische Ansätze in die vorgeburtliche Phase eingebunden, hat das positive Effekte: Die Integration von Frauenheilkunde, Geburtshilfe und psychotherapeutischer Intervention hat sich nicht nur als für die tägliche Praxis gangbar erwiesen, sondern hat zu einer Verringerung der Anzahl von Frühgeburten geführt. Daher sollten auch körperliche Probleme werdender Mütter im Gesamtzusammenhang körperlicher und emotionaler Prozesse betrachtet werden. Die emotionale Geschichte der werdenden Mutter sowie auch den frü- hen inneren Dialog zwischen ihr und dem ungeborenen Kind in den Mittelpunkt zu stellen, bietet potenzielle Konfliktlösungen.

Der Zusammenhang pränataler Erfahrung mit menschlicher Gesundheit und Entwicklung – ein Forschungsfeld, auf dem in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt wurden – ist inzwischen gut belegt: Mütterliche Erfahrungen vor, während und nach der Empfängnis sowie in der Schwangerschaft können mit pränatalen Prägungen des Kindes – etwa im Herz-Kreislauf-Bereich in engen Zusammenhang gebracht werden.

Das fötale Gehirn bildet sich innerhalb von ein paar Wochen von einer dünnen Zellschicht hin zu einem komplexen Netzwerk aus, das aus Milliarden Neuronen und Billionen Verbindungen besteht. Deren Anfälligkeit für Umweltfaktoren, zu denen auch „mütterlicher Stress“ gehört, ist gut belegt. Zwar ist die Reparaturfähigkeit neuronaler Netzwerke gut belegt; gleichzeitig lässt sich zeigen, dass gerade allerfrüheste Erfahrungen grundlegend sind.

Emotionale Intelligenz der Eltern spielt selbstverständlich auch nach der Geburt eine große Rolle bei der Entwicklung der Kinder. Das belegen nicht nur Studien mit Eltern und ihren Kindern im Hinblick auf Erziehungsweisen und Bindungsart, sondern auch Untersuchungen von Müttern und ihren frühgeborenen Kindern: Danach kann die durch eine Frühgeburt leicht empfindlich gestörte Eltern-Kind-Interaktion zu körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen führen.

Literatur

  • Goetz Egloff & Dragana Djordjevic (eds.): Pre- and Postnatal Psychology and Medicine. Nova Science, New York, 2020
    Der englischsprachige Band soll als Kompendium in Klinik und Kultur dienen; er lädt alle anthropologisch Interessierten ebenso zur Reflexion ein.

Götz EgloffGötz Egloff
Psychoanalytiker, Heilpraktiker für Psychotherapie, Autor
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Foto: ©Zffoto