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Das Interview: Horst Lempart im Gespräch mit der Autorin Dr. Marie- Luise Conen

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2016 01 Interview2Frau Dr. Conen, was ist das Besondere an der Beratung in Zwangskontexten?

Es kommt immer darauf an, ob der Beratungsauftrag von einem Dritten erteilt wurde. Damit einher geht die Frage, welche Möglichkeiten dieser Dritte hat, in den Prozess einzugreifen und legale Sanktionen zu verhängen. Im Wirtschaftskontext ist das oft an Betriebsvereinbarungen oder an den Arbeitsvertrag gekoppelt. Die Beratung in Zwangskontexten, wie wir sie z. B. in der Familienberatung oder in der Arbeitsvermittlung vorfinden, basiert zum großen Teil auf Rechtsvorschriften. Ein Arbeitnehmer kann sich dem Arbeitsumfeld entziehen. Bei Klienten im Zwangskontext ist das nicht ohne Weiteres möglich.

Wie verhalte ich mich als Berater gegenüber unmotivierten Klienten im beruflichen Kontext?

Wenn Sie von einem Dritten beauftragt würden, die Beratung oder das Coaching durchzuführen, könnten Sie auf Ihr Dilemma hinweisen. Auch Sie sitzen „zwischen den Stühlen“, weil Sie einerseits dem Auftraggeber verpflichtet sind, andererseits den Klienten unterstützen wollen. Hilfreich ist hier die Metaebene: Was machen wir nun mit der Situation? Oft sind die gegenseitigen Erwartungen von Mitarbeiter und Vorgesetztem gar nicht geklärt. Dann empfiehlt es sich, diese vorab herauszuarbeiten – auch moderierend. Für den Berater ist das eine herausfordernde Situation, da er sich nicht funktionalisieren lassen darf, wenn der Vorgesetzte Konflikte meidet und Führungsverantwortung an ihn delegieren möchte.

Welche Interventionen bieten sich an, um den Klienten für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen?

Anstatt mit der Tür ins Haus zu fallen und von Defiziten zu sprechen, bieten sich zirkuläre Fragen an: „Wie erklären Sie es sich, dass Ihr Vorgesetzter meint, Ihre Leistung würde nicht ausreichen?“ (Bei einer solchen Frage kommt es natürlich sehr auf Ihren Tonfall an!) „Was denken Sie, woran würde Ihr Vorgesetzter eine Änderung Ihres Verhaltens festmachen?“ Oft ist es notwendig, dass dem Mitarbeiter-Coaching ein Führungskräfte-Coaching vorausgeht: „Woran werden Sie feststellen, dass Ihr Mitarbeiter sein Coaching-Ziel erreicht hat?“ „Was hindert Sie daran, mit Ihrem Mitarbeiter über Ihre Erwartungen zu sprechen?“ „Was haben Sie selbst schon unternommen, um seine Leistung zu verbessern?“

Sie betonen, dass Unfreiwilligkeit bereits ein Lösungsverhalten ist. Was hat es damit auf sich?

Wenn man Probleme hat, kann man sich z. B. bei Freunden, der Familie, einem Coach oder einem Therapeuten Rat holen. Es gibt aber auch Menschen, die sich in einer Massierung von Problemsituationen befinden und von anderen dann zur Beratung „geschickt“ werden. Im Arbeitskontext könnte das der Vorgesetzte sein oder die Personalabteilung. Oft sieht der Mitarbeiter das Problem bei den anderen – und sich selbst in einer Opferrolle. Aus dieser Opferrolle heraus ergeben sich bereits Verhaltensmuster, die konstruktiv für eine Lösung genutzt werden können. Symptome sind immer auch Bewältigungsversuche.

Wie schaffen Sie es, dass der unfreiwillige Klient die Verantwortung für sein Thema behält und nicht an Sie übergibt?

Ausschlaggebend ist, glaube ich, meine Loyalität zum Klienten. Ich nehme ihn ernst. Wenn er vor mit sitzt und eigentlich gar nicht mit mir reden möchte, dann respektiere ich das. Was machen wir gemeinsam aus der Situation, wenn er keinen Gesprächsbedarf sieht? Ich wechsele mit ihm in die Metaebene und wir sprechen über die Situation. Dadurch übernimmt er schon die Verantwortung für die Situation. Sobald Sie als Coach das Anliegen des Chefs als Ihr eigenes vertreten, bekommen Sie all den Widerstand zu spüren, den auch alle anderen erhalten. Vielleicht sieht der Mitarbeiter ein ganz anderes Problem als der Chef. Aus seinem Anliegen formuliere ich dann ein übergeordnetes Thema, an dem ich arbeiten kann. Daraus folgt in der Regel bereits die Motivation des Klienten. Unmotiviertheit gibt es an sich nicht. Es stellt sich vielmehr die Frage: Für was ist der Klient motiviert?

Wie halten Sie es mit der Loyalität zu Ihrem Auftraggeber und dem Klienten?

Wer das Orchester bezahlt, der bestimmt auch die Musik. Ich kann nicht so tun, als ob ich in einem luftleeren Raum agieren würde. Ich kann nicht illoyal werden gegenüber dem zahlenden Auftraggeber. Gleichzeitig gewinne ich den Klienten nur für die Zusammenarbeit, wenn ich mich auf seine Seite stelle. Das heißt aber überhaupt nicht, dass ich mich dadurch gegen jemand anderes wende. Ich unterstütze den Klienten in seinen Anliegen und wie er sie verwirklichen kann.

Gibt es übergeordnete Themen, an denen Sie mit den Klienten arbeiten?

Ein ganz wichtiger Aspekt ist Zutrauen. Ich knüpfe sehr an die vorhandenen Ressourcen an und richte den Blick auf die bereits erreichten Erfolge. Viele der Klienten im Zwangskontext haben wenig Vorstellung von ihren eigenen Möglichkeiten, ihr Leben beeinflussen zu können. Da ist es umso wichtiger, an die eigene Wirksamkeit zu erinnern und Zutrauen zu vermitteln. Bei vielen Menschen in diesem Kontext leidet die Selbstachtung extrem. Auch deshalb reagieren sie mit Abwehr, weil sie ihre Selbstachtung unbedingt erhalten möchten. Sie wollen unter allen Umständen vermeiden, von eigenen Problemen zu sprechen. Unter diesem Aspekt hilft es ihnen sogar, wenn sie geschickt werden. Sie selbst haben ja keine Probleme, sondern die anderen haben welche mit ihnen. Dieser Kränkung kann ich nur begegnen, wenn ich dem Klienten wohlwollend-herausfordernd begegne. Die Arbeit besteht letztlich darin, die Sichtweise auf ein Thema zu verändern, gar nicht so sehr ein Verhalten.

Dr. Marie-Luise Conen Dr. Marie-Luise Conen
Dipl.-Psychologin, Psychotherapeutin und Lehrtherapeutin, sie arbeitet in freier Praxis als Paar- und Familientherapeutin, Supervisorin und Fortbildnerin in Berlin

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Horst Lempart Horst Lempart
Heilpraktiker für Psychotherapie, Psychologischer Berater, Systemischer Coach, Spectrum Coaching, Kolbenz

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