Eröffnen Sie eine Praxis! Warum zögern Sie noch?
„Aller Anfang ist schwer.“
Deutsches Sprichwort
Die Motivation, eine Ausbildung zum Berater, Heilpraktiker für Psychotherapie oder „großen“ Heilpraktiker zu beginnen, ist so unterschiedlich und vielfältig wie die Menschen, die sich dafür interessieren. Was aber oft ähnlich abläuft, ist interessanterweise die wandelnde Begründung der Motivation für die Ausbildung, je nach Ausbildungsfortschritt. Manchmal erkennt man die wahre, unverschleierte intrinsische Motivation sogar erst nach Jahren für sich selbst.
„Der Beginn ist der wichtigste Teil der Arbeit.“
Platon
Oft kann man vor dem Beginn der Ausbildung hören: „Ich interessiere mich für die Ausbildung eigentlich nur, weil ich neugierig bin und Menschen besser verstehen möchte“ oder auch schlicht: „Ich möchte Menschen helfen“. Bei vielen Interessenten bleibt es beim Wunsch zur Ausbildung, denn der Alltag und Tausende von scheinbar vernünftig klingenden Argumenten werden vorgeschoben. „Das kostet so viel“, „Das halte ich zeitlich nicht durch“, „In meinem Alter noch mal auf die Schulbank?“, sind nur einige dieser Argumente. Von den vielen Interessenten wagen es dann doch einige und starten eine Ausbildung zum Berater, Heilpraktiker für Psychotherapie oder zum „großen“ Heilpraktiker.
„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“
Deutsches Sprichwort
Meist spaltet sich die Studienklasse anfangs in zwei Gruppen. Die eine Gruppe behauptet immer noch, dass sie neugierig sei und Menschen besser verstehen möchte. Und selbstverständlich mache man das alles nur für sich selbst. Die andere Gruppe hat konkrete Pläne und will nach den bestandenen Prüfungen eine Praxis gründen – zumindest sagt sie das jedem, der es hören will.
Wobei Letztere fatal an das „Bis-Skript“ aus der Transaktionsanalyse erinnert: „Wenn …, dann“, und von einem Ziel zum nächsten hetzt.
Diese Kommilitonen haben selbst nach erfolgreich absolvierter Prüfung sofort ein neues Ziel: „Wenn ich erst die Therapieform xxx erlernt habe, dann ...“. Darauf folgen Aussagen wie: „Eine Praxis kann ich doch erst eröffnen, wenn ich genügend Therapieformen erlernt habe wie xy und zz“.
So vielfältig wie die Gründe, trotz vorhandenem Interesse erst gar nicht mit einer Ausbildung zu beginnen, sind die Gründe, trotz bestehender Voraussetzungen keine Praxis zu eröffnen. Das ist fatal, denn der Bedarf in Deutschland an z. B. psychologischer Unterstützung ist enorm, die Wartezeiten auf einen Therapieplatz sind absolut inakzeptabel (s. VFP-Newsletter).
„Ein Wunsch kann durch nichts mehr verlieren
als dadurch, dass er in Erfüllung geht.“
Peter Bamm
Der Einfallsreichtum dieser „beinahe“ Kollegen scheint unermesslich zu sein. Und das alles nur, um nicht wirklich die Gründung einer Praxis umzusetzen (s. Artikel „Widerstand“, Freie Psychotherapie, 01/2014).
Es könnte ja sein, dass dann leibhaftig ein Klient oder Patient erscheint. Bei den Handwerkern gibt es den Spruch: „Kunde droht mit Auftrag“. Bei den zögernden und zaudernden „beinahe“ Praxisgründern und „Ich möchte Menschen helfen“-Motivierten könnte man in Abwandlung sagen: „Klient benötigt Hilfe“. Mist, da würde doch der innigste Wunsch in Erfüllung gehen.
Ich möchte Ihnen Mut machen, den Schritt zur eigenen Praxis zu machen. Lassen Sie mich ein Beispiel vorstellen, nämlich meine eigenen Erfahrungen hierzu.
„Man kann einen Abgrund nicht in zwei Sprüngen überqueren.
Man muss den mutigen Sprung mit einem Mal tun.“
Václav Havel
Genauso wie beschrieben, lief damals die Entscheidungsfindung bis zur Gründung meiner Praxis für Psychotherapie im Jahre 2012 ab. Allerdings hatte ich vorab immer wieder positive Verstärker in den einzelnen Phasen erhalten. Zu Beginn gab mir mein näheres Umfeld mehrfach Feedback in der Art „Du hast ein Talent, mit Menschen umzugehen, ihnen zuzuhören. Du solltest das professionalisieren“. Das war der nötige Impuls von außen, das Studium zum Heilpraktiker für Psychotherapie aufzunehmen.
Während des zweieinhalbjährigen Studiums hatte ich das Glück, Kommilitonen zu haben, die mich mit Aussagen unterstützten wie: „Wer wird eine Praxis eröffnen, wenn nicht du?“. Und trotz allen Zuspruchs war ich mir immer noch nicht 100-prozentig sicher, ob ich wirklich meine Praxis eröffnen sollte. Alle eigenen Antreiber, Glaubenssätze, (Bis-)Skripte wurden bei diesem Thema angetriggert.
Doch dann kam die amtsärztliche mündliche Prüfung und mit ihr der alles entscheidende Augenblick. Während die Amtsärztin mir nach bestandener Prüfung gratulierte und meine Hand schüttelte, schaute sie mir in die Augen und sagte: „Und jetzt gründen Sie eine Praxis!“. Ich zögerte und sagte „Ich werde erst mal ehrenamtlich bei Handicap International arbeiten“. Sie ließ meine Hand nicht los und wiederholte ihren vorigen Satz noch zweimal, während sie mir in die Augen sah. Dies war so ungewöhnlich und bewegend, dass ich ihr versprach, eine Praxis zu eröffnen.
Zum ersten Mal spürte ich, dass es das Richtige für mich ist. Beim Verlassen des Amtszimmers rief sie mir noch nach: „Sie müssen nicht auf die schriftliche Bestätigung warten, beginnen Sie sofort!“.
„Ausdauer wird früher oder später belohnt
– meistens aber später.“
Wilhelm Busch
Dass man auch nach Jahren Praxisbetrieb immer wieder Zweifel hat, dem Anspruch der Klienten zu genügen, möchte ich nicht verschweigen (s. mein Artikel „Ältere Klienten“, Freie Psychotherapie, 02/2015).
Jedoch mit zunehmender Erfahrung und mit jedem Klienten wird auch das Selbstvertrauen in diesem äußerst interessanten Umfeld immer höher.
Aber auch die Erkenntnis, dass es dauert, bis eine eigene Praxis sich rechnet, soll hier nicht verschwiegen werden. So wie die Verhaltenstherapeuten bei der Angstbewältigung zu sagen pflegen: „Gehe durch deine Angst hindurch, und sie wird kleiner“, so trifft das auch bei der Gründung einer Praxis zu.
Und wenn dann noch der allererste Patient gleich eines der schwersten psychischen Krankheitsbilder aufweist (psychiatrisch diagnostizierte paranoide Schizophrenie), dann ist auch die Angst, einem Klienten nicht gewachsen zu sein, relativiert. Denn, jeder Klient/Patient, der danach in Ihre Praxis kommt, ist höchstwahrscheinlich einfacher zu behandeln.
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“
Hermann Hesse
Spätestens, wenn Sie das erste positive Feedback von Ihren Klienten/Patienten erhalten, wissen Sie, dass es richtig war, eine Praxis zu eröffnen. Es ist nicht immer nur der finanzielle Erfolg (gerade am Anfang der Neugründung), der Ihnen das Gefühl von Zufriedenheit gibt. Es ist vielmehr die Umsetzung Ihres tiefsten Wunsches.
Der Bedarf nach psychologischer Begleitung, Unterstützung und therapeutischer Intervention ist ungebrochen in der Bevölkerung vorhanden. Helfen Sie mit, das extreme Ungleichgewicht vor allem im psychologischen Sektor zwischen Nachfrage und Angebot zu verringern. Setzen Sie Ihr Wissen und Talent sinnstiftend ein. Gründen Sie mit Ihrer fundierten Ausbildung und der bestandenen Prüfung eine Praxis.
Noch heute!
Günter Kaindl
Heilpraktiker für Psychotherapie in eigener Praxis für Psychotherapie in München