Liebevolle Zwiesprache – radio leinehertz
Sonja Kohn, Moderatorin, in der Sendung Psyche kompakt am 5. Mai 2014 im Interview mit Peggy Paquet, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Logotherapeutin in Germering bei München.
Wir denken, empfinden und fühlen. Das macht uns als Menschen aus. Wenn wir lachen, weinen oder zornig sind, drücken sich unsere Gefühle über den Körper aus. Manche Menschen drängen ungute Gefühle einfach weg. Andere schneiden sie sogar von sich ab. Folge ist auch, gute Gefühle sind kaum spürbar – und wir verlieren an Lebendigkeit.
Nicht gelebte Gefühle speichern sich im Körper als bleibende Spannungen ab. Entweder reagieren wir irgendwann über oder wir konservieren unser Leid und erstarren letztendlich auch emotional. Wie wir adäquat mit ungeliebten Emotionen umgehen können und welche Lösungsmöglichkeiten die „Liebevolle Zwiesprache“ bietet, das hat mir Peggy Paquet, erklärt.
Her(t)zlichen Dank!
Frau Paquet: „Liebevolle Zwiesprache“, was ist das?
„Liebevolle Zwiesprache“ ist eine Form der Traumagesprächstherapie, die sich primär darauf ausrichtet, in unserem Körper, in unserem Nervensystem, gespeicherte „emotionale Ladungen“ auf körperlicher, emotionaler und auf seelischer Ebene zu lösen. Es ist ein Prozess, der darauf ausgerichtet ist, dass Menschen ihn selber anwenden können und er zeigt ganz praktisch, schlicht und schnörkellos, wie ich durch ein Gefühl, was gerade aktiv in mir ist, selbstständig hindurchkommen kann.
Auf der anderen Seite, wenn die Emotion sich gelöst hat und es mir eigentlich wieder ganz neutral geht, kann ich diesen Schwung der Emotion – der Schmerzemotion – nutzen, um zu schauen, was darunter liegt. Und das sind sehr lebensfördernde Qualitäten wie Kraft, Liebe, Mitgefühl oder auch eine tiefe Gelassenheit. Diese Qualitäten werden auch durch ein tiefes Spüren und Fühlen im Nervensystem integriert und wirken in unser Erleben, unsere neue Wahrnehmung und schließlich bis in ein neues Verhalten hinein.
Wie gehen Menschen im Alltag in der Regel mit ihren Emotionen um?
Emotionen sind – also wir gehen jetzt von schmerzhaften, unangenehmen Emotionen aus – tatsächlich unangenehm. Es schnürt uns die Kehle, den Bauch zusammen und da wir das ungern spüren, wird es aus der Wahrnehmung verdrängt, und um das nicht wahrzunehmen, müssen wir unsere Aufmerksamkeit vom Körper weglenken. Also, wir gehen oft in den Kopf, ins Denken, um eine Emotion nicht wahrzunehmen.
„Im Kopf bleiben ...“. Welche Kompensationsmuster gibt es noch?
Also, alles, was wir im Alltag tun, kann zum Kompensationsmuster werden, muss nicht, aber vieles wird dazu benutzt, um nicht zu fühlen. Allem voran natürlich die bekannten Süchte, Alkohol und Medikamente, Drogen usw. Aber auch Fernsehen, Computer, Arbeiten, Sexualität, Essen ... kann ein Muster sein, um nicht zu fühlen. Häufig ist ein Muster auch das Analysieren, das den anderen Beschuldigen, Projizieren ... das sind alles Dynamiken, die für uns geeignet erscheinen, um etwas Unangenehmes nicht wahrzunehmen.
Was passiert, wenn wir unsere Gefühle nicht vollständig ausleben?
Gefühle können wir als „Energie“ verstehen und wenn z. B. in uns Wut hochkocht, im wahrsten Sinne des Wortes, oder auch Angst, dann wird im Körper sehr, sehr viel Energie aktiviert. Der Sympathicus, der Teil des Nervensystems, der für Aktivierung, Flucht- und Angriff zuständig ist, fährt hoch. Cortisol, Adrenalin werden in Mengen ausgeschüttet und wenn sich das nicht wieder reguliert, indem es z. B. durch Bewegung entladen wird oder auch durch Spüren, Zittern, Weinen, dann bleibt das als Energie im Nervensystem. Und wenn es ganz ungünstig läuft, dann bleibt der Symphaticus erhöht und auch diese Stresshormone werden weiterhin ausgeschüttet. Man kann sich vorstellen, dass das körperlich und psychisch langfristig Auswirkungen hat.
Wie reagiert das Nervensystem, wenn solche Spannungen im Körper gehalten werden?
Also, wie gesagt, das bleibt so hochgefahren und unser Körper hat weiterhin diese Mechanismen aktiviert, die für Flucht und Angriff notwendig sind. Also erhöhten Blutdruck, der Muskeltonus ist erhöht und die Wahrnehmung ist ein Stück verengt, und wenn das ganz massiv passiert, dann haben wir es schon mit Traumasymptomen zu tun.
Welche Stressreaktionen zeigen der Körper und die Psyche?
Der Körper kann anhaltend angespannt sein und psychisch kann es wirklich zu Ängsten, zu Unruhe führen, zu einem latenten Gefühl „irgendwas ist nicht in Ordnung“. Auch depressive Reaktionen können auftreten oder emotionale Instabilitäten. Man wird sehr, sehr schnell wütend und all das ist ja in unserem Alltag sehr anstrengend für uns selbst und für unsere Mitmenschen.
Frau Paquet, wie kann ich nun ungute Gefühle hinter mir lassen?
Die „Liebevolle Zwiesprache“ schafft einen präsenten Raum auf körperlicher, emotionaler und geistiger Ebene. Beispiel: die Wut. Wenn wir wütend sind, drückt sich das im Körper aus. Wir haben einen Druck im Solarplexus und diese Wutenergie können wir sehr gut fühlen. Und wenn wir unsere Aufmerksamkeit wirklich ausschließlich auf den Körper richten und seine Reaktionen, dann spüren wir den Druck im Körper.
Wir fühlen diese Wutenergie und wir beobachten dies, ohne irgendetwas daran zu ändern. Wir schaffen einen „Raum von Aufmerksamkeit“, um – ich sage mal – dieses „Ereignis“ in unserem Nervensystem. Wir unterstützen diesen Prozess mit der Ausatemunterstützung. Wir unterstützen unser Ausatmen, und da bleiben wir beobachtend, spürend, fühlend und ausatmend so lange dabei, bis sich diese Wutenergie in irgendeiner Form verändert. Erfahrungsgemäß reguliert sich unser Körper selbst, wenn wir „anwesend“ sind. Also, die Wut löst sich oder die Angst oder die Trauer und dann, wenn sich das „neutral“ anfühlt, sinken wir mit der Aufmerksamkeit weiter und tiefer. Dann beginnen wir auf dieser Ebene der „lebensfördernden Qualitäten“ z.B. Kraft zu spüren, eine tiefe Gelassenheit oder sogar Liebe. Auch das spüren wir noch ganz, ganz tief, so dass unser Körper, unser Nervensystem, das – im wahrsten Sinne – als Erfahrung speichern kann. Letztendlich schauen wir nochmal auf die auslösende Situation und in der Regel haben wir ganz andere Gefühle und ein ganz anderes Erleben dazu. Das in aller Kürze zu dem Prozess.
Kann jeder „Liebevolle Zwiesprache“ anwenden?
Prinzipiell: Ja. Wo ich einfach sehr vorsichtig bin, sind akute psychiatrische Erkrankungen oder sehr, sehr schwere Persönlichkeitsstörungen. Also da, wo diese Instanz, diese geistige Instanz, des „Auf-meine-Gefühle-Draufschauens“ nicht mehr in diesem Maße wirklich handhabbar und gegeben ist. Da sehe ich eine Kontraindikation für die „Liebevolle Zwiesprache“. Ansonsten, für Kinder ab 7 Jahre, die auch schon auf ihre Gefühle „draufschauen“ können, bis ... (meine älteste Klientin war knapp 90). Weil jeder Mensch mit seinen Emotionen zu tun hat, in jeder Situation. Für jeden Zeitpunkt ist die „Liebevolle Zwiesprache“ geeignet.
Sie bilden „Liebevolle Zwiesprache“ aus. Für wen ist die Ausbildung geeignet?
Prinzipiell für alle Menschen, die mit anderen Menschen arbeiten. Das beginnt im therapeutischen Bereich, über den pädagogischen Bereich und reicht bis hinein ins Ehrenamt. Also da, wo uns Menschen anvertraut sind, wir auf sie eingehen und wir auch die Möglichkeit haben, sie in ihren emotionalen Turbulenzen zu unterstützen.
Was ist das Potenzial der „Liebevollen Zwiesprache“?
Das Potenzial der „Liebevollen Zwiesprache“ ist primär, dass es Leid lindern und auch verhindern kann, dass es diese „emotionale und auch traumatische Leidkette“ – die über Generationen und von Person zu Person weitergegeben wird – unterbrechen kann. Das ist auf globaler Ebene das Potenzial. Auf der persönlichen Ebene gibt es da mehrere Stufen, die ich erlebe. Es beginnt da, dass wir persönlich weniger leiden, indem wir weniger emotionale und körperliche Anspannung haben. Es geht weiter, dass wir grundsätzlich gelassener, mitfühlender werden und sich eine sehr große innere Stärke entwickelt. Und was auch hervortritt, ist oft eine ganz neue Art von Kreativität. Auf einer noch tieferen Ebene gehen wir in einen Raum, wo wir unsere Spiritualität sehr authentisch und als sehr tragend erleben, und das wirkt natürlich in unser ganzes Sein hinein.
CD-Tipp
„Liebevolle Zwiesprache – Heilsamer Umgang mit belastenden und schmerzhaften Emotionen“, Peggy Paquet, Herausgeberin
Gast
Peggy Paquet
Nimrodstraße 55 a, 82110 Germering
Moderatorin
Sonja Kohn
Heilpraktikerin, Dozentin, freie Redakteurin
Peiner Straße 29, 31319 Sehnde
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Psyche kompakt:
jeden 1. Montag im Monat auf Radio Leinehertz 106.5, 17:05 Uhr
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