Musik erweckt in uns ganz unterschiedliche Emotionen
Platon: „Musik und Rhythmus finden ihren Weg zu den geheimsten Plätzen der Seele.”
Ob beim Techno-Beat über den Körper oder durch Versenkung ins klassische Werk, beim Schlager über romantische Verzückung, in den Tiefen unseres Gehirns, erzeugt ein Cocktail von Hormonen die ganz unterschiedlichsten Gefühle. Musik ist ein globales Phänomen des Gehirns, haben Hirnforscher und Psychologen in den letzten Jahren erkannt, und das macht sie besonders interessant.
Forschungszentren, die sich traditionell mit Sprache der Gefühle beschäftigen, etwa das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig, haben Programme zum Thema Musikkognition aufgelegt. Und da interessiert vor allem die emotionale Wirkung der Töne. „Musik ist Sprache der Gefühle”, das ist nicht mehr nur ein romantisches Klischee, sondern ein wörtlich zu nehmender Forschungsansatz.
Sobald Musik erklingt, sucht das Gehirn in dem akustischen Signal nach emotionaler Bedeutung. Musik kann zu Tränen führen, zu ausgelassem Tanzen verführen, in uns hineinfahren wie ein Blitz, uns an Orte und vergangene Zeiten zurückführen.
Wie kann das sein? Sprache, die mit der Musik sehr verwandt ist, erreicht uns immer über das Bewusstsein. Doch Musik trifft uns ganz unmittelbar, ohne dass wir ihren Inhalt analysieren müssen. Wie macht Musik das, was sie macht? Die Wissenschaft ist weit entfernt von der Beantwortung dieser Frage.
Den Weg, den der Schall durchs Ohr und Innenohr nimmt, kann sie gut bis zum Hörnerv verfolgen, der die in elektrische Signale verwandelten Töne ins Gehirn weiterleitet. Dann verliert sich die Spur bzw. taucht überall wieder auf. Es gibt kaum einen Teil des Gehirns, der an Verarbeitung von Musik nicht beteiligt ist.
Wieso gerät unser Gefühlsleben durch ein paar Töne in Wallung?
Emotionen haben zunächst einen ganz praktischen biologischen Zweck: Jeder Mensch hat Ziele, teils von der Biologie vorgegeben, teils von der Kultur oder seiner individuellen Lebensplanung geprägt. Ein Ereignis, das eines dieser Ziele entweder befördert oder ihm entgegensteht, erzeugt eine positive oder negative Emotion. Unsere Gefühle sind ein Mittel, unseren Körper sozusagen „auf den richtigen Weg” zu bringen. Verliebtheit fördert die Fortpflanzung, Angst erzeugt den Fluchtreflex, Ekel verhindert, dass wir uns vergiften.
Wir fragen uns, was Musik damit zu tun hat? Ob wir eine CD hören oder nicht, hat schließlich wenig Auswirkung auf den Lauf der Welt. Wenn Musik Gefühle hervorruft, dann natürlich nur, weil wir sie mit richtigen Ereignissen assoziieren.
Der schwedische Musikforscher Patrik Juslin von der Universität Uppsala zählt in seinem Handbook of Music and Emotion mehrere Mechanismen auf, wie Musik diese Wirkung entfaltet: Musik, insbesondere ihr rhythmischer Anteil, fährt direkt in den Hirnstamm, den ältesten Teil unseres Denkorgans, oft auch Reptiliengehirn genannt.
Das reagiert auf Töne, ohne das Bewusstsein um Erlaubnis zu fragen, denn dort arbeiten von der Evolution fest verdrahtete Schaltkreise. Wenn geschossen wird, schaltet der Körper auf Alarmstufe Rot. Schnelle, laute, kreischende Töne treiben den Herzschlag in die Höhe, langsame Rhythmen und tiefe Töne wirken beruhigend.
Wenn die Clubbesucherin sagt, beim Tanzen lasse sie sich treiben und schalte ihr Gehirn auf Stand-by, dann beschreibt sie genau eine solche Situation, in der das Reptiliengehirn bestimmend vorherrscht.
Das sogenannte episodische Gedächtnis verbindet Musik mit der Situation, in der wir sie zum ersten Mal gehört haben. Das Gehirn speichert Informationen nicht wie ein Computer, es erinnert sich an eine ganze Situation. Das ist das berühmte „Schatz, sie spielen unser Lied”-Phänomen: Ein Paar verbindet eine Melodie mit dem Tag, an dem es gefunkt hat.
Was noch ein bisschen ähnelt, ist die Konditionierung!
Das heißt, wer in seiner Kindheit beim Sonntagfrühstück Barockmusik gehört hat, dem steigt bei den ersten Tönen einer Bach-Fuge der Mohnbrötchen-Duft in die Nase. Musiker stecken uns mit ihren Gefühlen an. Dafür ist unsere Fähigkeit zur Empathie verantwortlich, die Spiegelneuronen, die uns die gleiche Emotion fühlen lassen, die auch der Musiker hat oder uns gekonnt vorspielt.
Der Schlagerfan meint: „Roy Black ist echt”, und egal ob das stimmt – der Sänger hat es geschafft, Empathie hervorzurufen. Der Künstler erzeugt ja nicht unbedingt dieselbe Emotion bei uns, die sein Lied transportiert: Wenn Roy Black von Einsamkeit singt, fühlt sich der Fan nicht einsam, im Gegenteil, das traurige Lied kann einen aufrichtenden Effekt haben: „Du bist nicht allein”.
Immer freut sich der Kenner eines Musikstücks schneller und tiefer als andere Hörer. Schneller, weil er akustische Reize in einer Komposition beim Hören verknüpft und ihre Bedeutung assoziieren kann; „semantisches Priming” nennen das die Psychologen. Tiefer deshalb, da die Erwartung einer Beglückung, eines jauchzenden Finales, das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert.
Der Chefarzt im Klinikum, selbst begnadeter Orchestergeiger, der morgens früh Magen- und Darmspiegelungen durchführt, mit dem Endoskop die Kanäle im Leib durchsteuert, hört während der OP seinen Lieblingssinfoniker Beethoven. Da krempelt er die Ärmel hoch, die Fünfte ist die perfekte Chefarztmusik, dramatische Situation, Kämpfe, am Ende der Sieg.
Er kennt die Stücke sehr gut, manche aus dem Orchester, was ihn beim Hören beglückt, weiß er doch genau: „Es sind die Endorphine.”
Von all diesen Faktoren, die Musik emotional wirken lassen, ist nur einer völlig kulturunabhängig, nämlich der Effekt auf das Stammhirn. Alle anderen sind mehr oder weniger erlernt, sie sind an die Kultur gebunden und an sehr persönliche Erfahrungen.
Beim Versuch, gemeinsame musikalische Charakteristika für all diese Werke zu fi nden, stießen diese Forscher nur auf ein paar sehr allgemeine Attribute; laute Stellen, aufsteigende Melodien, Schockeffekte – die Elemente, auf die der Hirnstamm anspringt. Ansonsten sind die Chill-Faktoren von Mensch zu Mensch verschieden. Wie man konkret mit Musik bei einer großen Zahl von Menschen eine bestimmte Emotion auslöst? Da müssen die Musikforscher passen.
„Die Filmmusiker sind die wahren empirischen Emotionsforscher.”
Als Forscher möchte sich der Filmkomponist Andreas Weidinger nicht bezeichnen, eher als Ingenieur: „Ich bin so etwas wie der Architekt der Emotionen”, sagt er von sich. Weidinger komponiert vor allem Musiken für die oft belächelten, aber äußerst erfolgreichen Melodramen, die das ZDF am Sonntagabend sendet. Er schöpft dabei mit vollen Händen aus dem emotionalen Repertoire, dass uns vor allem die klassische Musik des 19. Jahrhunderts hinterlassen hat. „Da fliegt der Helikopter über die Küste Irlands, es knallt im Bild und da kann ich auch mal die Posaunen einsetzen und eine richtige Melodie spielen!”
Bewusst wahrgenommen wird von vielen Zuschauern die Filmmusik nicht, im Unbewussten entfaltet sie ihre Wirkung. Kann uns der Filmkomponist erklären, wie das funktioniert?
„Natürlich gibt es eine gewisse Routine und ich weiß, dass es funktioniert, wenn die Cutterin im Schneideraum schon anfängt, bei einer Szene das Hauptthema zu summen”, sagt Andreas Weidinger. Emotionen gezielt steuern kann der Komponist jedoch nicht, weil er zu wenig über den Hintergrund der Leute weiß, die den Film sehen.
Wenn der Komponist nach einem Rosamunde-Pilcher-Film begeisterte E-Mails bekommt, dann mag er das der schönen Melodie zuschreiben, die er zu dem Hubschrauberflug über Irland komponiert hat.
Und was der Schlagerfan auch immer verstand, was sein Idol sang und meinte, war bei der Empathie behilflich. Englische Songs verstand doch sowieso keiner und wenn man sie übersetzte, war es der gleiche Schwachsinn, dann lieber deutsch und gefühlsecht!
Als der Fan längst in etwas ruhigere Bahnen geraten war, wurde Roy Black zu einem zuverlässigen alten Bekannten, dem man gelegentlich auf NDR 1 oder WDR 4 begegnete. Die Treue blieb, „beim Bügeln, Lesen oder Relaxen”.
Der Chefarzt vom Klinikum hat Beethovens Fünfte mit den Berliner Philharmonikern im CD-Regal und wenn er abends über Kopfhörer seine Musik hört, „fühlt sich das an wie Glück, das sind bestimmt die Endorphine, meint er, stimmt´s?” (Rudolf Fricke, Gedichtschreiber)
Musik vermag Unaussprechliches zu vermitteln und die Tiefen der menschlichen Psyche anzusprechen. Es ist die Sprache der Gefühle, die ohne Worte auskommt und dennoch oder gerade deshalb von jedem Menschen verstanden wird.
Was Musik bewirkt
Sie kann Balsam für die Seele sein, sie fördert geistige, soziale Entwicklung bei Kindern und werdenden Müttern.
Sie mobilisiert das Gehirn, produziert Glückshormone – ist therapeutisches Hilfsmittel.
Sie verringert Stresshormone, vor allem in der Psychiatrie und in der Schmerztherapie leistet sie nützliche Dienste. In der Geriatrie kann sie ein wertvolles Hilfsmittel sein, kann Jungbrunnen für das Gehirn sein, weil dabei neue Nervenschaltungen gebildet werden.
Sie ist auf jeden Fall ein Trainingseffekt für das Gedächtnis.
Sie fördert die Intelligenz und stellt das Gehirn vor eine große Herausforderung.
Mit Musik-/Entspannungstherapie ist es mir möglich, meine Klienten therapeutisch in den unterschiedlichsten Störungsbereichen in ihrem Heilungsprozess zu unterstützen: Burnout, Depressionen, Angst/Panik/Phobien, Prüfungsängste, Gerontopsychatrie, Partnerschaftsprobleme.
Literatur
- Eckart Altenmüller, Stefan N. Willich: Klang, Körper und Gesundheit
- Herbert Bruhn, Reinhard Kopiez, Andreas C. Lehmann: Musikpsychologie, das neue Handbuch
- Daniel Rettig: Hört. hört – 10 wpsychologische Fakten über Musik
- Quelle: Zeit/Wissen
Regina Koch
Heilpraktikerin für Psychotherapie, Gesundheits & Stressmanagerin, Leiterin von Stressmanagement-Workshops, Hypnotherapeutin, Verhaltenstherapie, Coaching, Dozentin & Autorin.
Eigene Praxis in Ludwigsburg.